Nach dem Waldgipfel gibt es Streit, wie das bereitgestellte Geld eingesetzt wird
Stürme, Dürre, Brände, der Borkenkäfer: Seit dem vergangenen Jahr sind gewaltige Waldflächen in Deutschland vernichtet worden. Über 180.000 Hektar sind irreparabel geschädigt, eine Fläche, mehr als doppelt so groß wie Berlin. Und viele Wälder kämpfen um ihr Überleben. Das hat den Ruf von Forstleuten, Waldbesitzer* und Naturschützer*innen an den Bund laut werden lassen, etwas gegen dieses neue Waldsterben zu tun. Und die Regierung hat diesen Ruf erhört: Insgesamt 800 Millionen Euro stellte der Bund bei seinem „Waldgipfel“ Ende September 2019 für die schnelle Beseitigung der Schäden und für die Wiederbewaldung zur Verfügung.
NaturFreunde für Biotope statt Plantagen
Doch was im Einzelnen mit Wald und Geld geschehen soll, da sind sich die Expert*innen längst nicht einig. Waldbesitzer*innen wollen die geschädigten und vor allem von Borkenkäfern befallenen Fichten möglichst schnell aus den Wäldern herausziehen, um eine weitere Ausbreitung der Käfer zu verhindern. Für die Wiederaufforstung sollen dann dem Klima angepasste Arten, unter anderem Douglasien, gepflanzt werden. Aber es gibt auch Kritiker*innen solchen Vorgehens, darunter die NaturFreunde, die fordern, dass der Wald der Zukunft anders gestalten werden muss. Nicht mehr als Holzplantage mit möglichst schneller Ernte sollen die geschädigten Flächen wieder aufgeforstet werden, sondern als dauerhaftes Biotop. Die Kritiker*innen fordern eine nachhaltige Forstwirtschaft.
Einer der Pioniere des nachhaltigen Waldes ist der frühere Lübecker Förster Lutz Fähser. „Unter dem Aspekt des Klimawandels muss sich moderne Forstwirtschaft stärker anpassen an das, was die natürlichen Entwicklungen der Wälder sind“, sagt Fähser. Dies bedeute, sich stärker aus dem Waldmanagement zurückzuziehen, „damit die heimischen Ökosysteme sich wieder neu organisieren können“, so Fähser.
Im Gegensatz zu den Nadelholz-Plantagen, die hierzulande oft als „Wald“ bezeichnet werden: Fähser hat den Wäldern, für die er verantwortlich war, ermöglicht, ihre Natürlichkeit zu erhöhen. Sie sind jetzt wesentlich dichter, dadurch feuchter und weniger anfällig für Stürme. Der Anteil der nicht heimischen Fichten, Kiefern, Lärchen und Douglasien wurde verringert. Und die Holzernte erfolgt behutsam ohne den Einsatz von großen Maschinen. So kann der Waldboden seine wichtigen Funktionen behalten. „Nur etwa zehn Prozent der deutschen Waldfläche werden derzeit klimaverantwortlich bewirtschaftet“, sagte Fähser 2015 im Interview mit der NATURFREUNDiN.
Für die Zukunft des Waldes in Deutschland setzt sich der Experte dafür ein, die natürliche Anpassungsfähigkeit der Wälder zu verbessern. Absterbende Bäume sollten als Totholz weitgehend stehen und liegen gelassen werden, um Schatten, Winterruhe, Humus, Feuchtigkeit und Biodiversität zu schaffen. Die Jagd auf Wildtiere wie Rehe und Hirsche, welche Jungpflanzen fressen, müsse intensiviert werden. Außerdem, so Fähser, müsse die Holzindustrie Anreize und Unterstützung für den unvermeidbaren Übergang von Nadelholz in die Verwertung von Laubbäumen erhalten.
Totholz ist überlebensnotwendig
Das klingt ganz anders als die Bekenntnisse von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), die offenbar immer noch die Wälder „aufräumen“ will. Totholz ist für den natürlichen Wald überlebensnotwendig. Es bildet die Lebensgrundlage für eine Fülle von Tier- und Pflanzenarten wie zum Beispiel Siebenschläfer, Höhlenbrüter und wärmeliebende Reptilien. Dazu kommen dann unzählige Pilze, Insekten und andere wirbellose Tiere, die auf und vom Totholz leben. Für die Umkehr der Forstwirtschaft kann deshalb nur gelten: Lasst den Wald in Ruhe gesund werden!
Eckart Kuhlwein