„Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.“ Einmal von August Bebel formuliert, gilt dieser Leitsatz auch heute für die NaturFreunde. Deshalb hat sich die Redaktion der Internet-Zeitschrift NaturFreundeGeschichte / NatureFriendsHistory zur Aufgabe gemacht, die Geschichte der NaturFreunde zu erforschen und durch Artikel, Analysen und wissenschaftliche Beiträge für eine breitere Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Vereinigung und Widerspruch von Anfang an
Schon kurz nach der Gründung der Naturfreunde 1895 in Wien erfasste ihre Gründungsidee die anderen deutschsprachigen Gebiete. [1] Meist, aber nicht ausschließlich getragen von Auswanderer_innen verbreitete sie sich daraufhin weltweit. Die ursprüngliche und bis heute gültige Idee war die eines Wander-, Freizeit- und Kulturverbands der Arbeiter_innenbewegung. Damit stand sie von Anfang an weltanschaulich wie finanziell in deutlichem Gegensatz zu bürgerlichen Parallelverbänden. Gleichzeitig erfassten Spannungen und Spaltungen innerhalb der linken Bewegungen auch die Naturfreunde, insbesondere zwischen dem Ersten Weltkrieg und dem Verbot der meisten Landesverbände durch den internationalen Faschismus. Beispiele verdeutlichen die unterschiedlichen Hintergründe: So fasste sich der österreichische Verbandsteil im Wesentlichen und überwiegend auf als Fach- und Kampfverband innerhalb der Sozialdemokratie; die deutsche Reichsgruppe war zerrissen zwischen sozialdemokratischen, revolutionären und lebensreformerischen Tendenzen; in der Tschechoslowakei spielte die Sprachen- und Nationalitätenfrage eine große Rolle; und in den USA überlagerten sich politisch-inhaltliche und regionale Differenzen.
Bürgerliche Konkurrenz und interne Spannungen
Nicht wenige dieser Konfliktstrukturen sollten auch die (Wiedergründungs-) Ära nach dem Zweiten Weltkrieg prägen, wenn auch in abgeschwächter Form. Dass der Verband den doppelten Druck von bürgerlicher Konkurrenz und internen Spannungen überlebt hat, erweitert die historischen Forschungsfelder um die zentrale Frage nach den historischen Grundlinien, weshalb das Einigende über die Zeitläufte hinweg doch wirkmächtiger war als das Trennende.
Praktische Differenzierungen prägen das Verbandsprofil in ähnlicher, allerdings weniger deutlich erforschter Weise. Denn sportliche, kulturelle, ökologische, generationsbezogene Aktivitäten blieben – und bleiben – die einigenden Klammern naturfreundlicher Aktivitäten über die traditionellen politischen Unterschiede hinaus. Ist man – wie bis in die Gegenwart hinein in Österreich, der Schweiz oder in Kalifornien – in erster Linie kritischer Freizeitverband? Will man – wie zum Beispiel in Deutschland seit den 1970er Jahren vermehrt beansprucht – vorwiegend ein Umweltverband sein? Versteht man sich – wie in England – in erster Linie als Betreiber von Naturfreundehäusern? Oder ist man – dies gilt in weiten Phasen der Geschichte der Naturfreundejugend – Experimentierfeld für alternative Lebens- und Handlungsformen? Auch hier und bei allen Widersprüchen: Wie wurde angesichts solcher Breite erfolgreich die Identität des Verbands erhalten und damit eine produktive Außenwirkung geschaffen?
Die Geschichte zu kennen hilft, den Verband besser zu verstehen
Über die innere Verbandsgeschichte hinaus ermöglicht eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Naturfreunde das komplexe Zusammenführen und gleichzeitig Erforschen der Spannungsverhältnisse in den politischen, gesellschaftlichen und sozialen Verhältnissen. Sie ermöglicht es, die politische und strategische Entwicklung des Verbandes auch in Hinblick auf die inner- wie außerverbandlichen Alltagspraxis zu hinterfragen, zum Beispiel als Ergänzungen zur Geschichte des Genossenschaftswesens (zum Beispiel anhand der Naturfreundehäuser), als Analyse des vielschichtigen Wandels auf den Gebieten von Sport und Freizeit, als Verstehen zeitgenössischer kultureller Entwicklungen (bis hin zum Wandel der Rolle von Musik, Theater und Volkstanz), und schließlich der Untersuchung der oftmals konfliktreichen Beziehungen „alter“ wie „neuer“ ökologischer Bewegungen.
Anhand der Geschichte der Naturfreunde lassen sich so unterschiedliche Denktraditionen und gesellschaftliche Vorstellungen im Mikrokosmos eines international tätigen aber stark dezentralen Verbands nachvollziehen. Innerhalb der Naturfreunde wurde immer um Positionen gerungen, zum Beispiel inwieweit naturschutzpolitischen Vorstellungen Vorrang vor den Anforderungen von sportlichen Aktivitäten gegeben werden müssen. In den Debatten des Verbandes mussten praxisnahe Kompromisse zwischen sportlichen Anforderungen und naturschutzfachlichen Notwendigkeiten ausgehandelt werden. Auch die Frage, wie eine intensive Häuserarbeit mit der politischen, kulturellen und ökologischen Tätigkeit der Naturfreunde zusammengeführt werden kann, begleitet die Arbeit des Verbands seit den 1920er Jahren.
Eine Zeitschrift als Anregung zur Diskussion
Als Internet-Zeitschrift will NaturFreundeGeschichte / NatureFriendsHistory beitragen zur weiteren Diskussion der Geschichte der Naturfreunde auf allen Ebenen. Im Wesentlichen ist der Anspruch ein wissenschaftlicher. Dennoch will die Zeitschrift online leicht zugänglich auch historische Themen von allgemeiner Bedeutung aufgreifen – in den Kategorien Fachaufsätze, historische Überblicke, regionale Geschichte(n), Quellen sowie Rezensionen. Realisiert wird das Projekt mit logistischer und finanzieller Unterstützung des NaturFreunde-Landesverbands Bayern.
Seit 2013 erscheint NaturFreundeGeschichte / NatureFriendsHistory zweimal jährlich (jeweils im April und Oktober). In den fünf Jahrgängen seither veröffentlichte die Zeitschrift 61 Beiträge von 35 Autor_innen und Gliederungen. Die nächste Nummer soll im April 2018 erscheinen. Die Redaktion lädt auch künftig ein zur Vorlage von Texten zum gesamten fachlichen wie internationalen Spektrum der Naturfreunde-Bewegung, die in die nächsten Ausgaben aufgenommen werden können. Hierzu wendet euch bitte an das Redaktionsteam: Dieter Groß und Peter Pölloth.
Dieter Groß
[1] Die Schreibweise „NaturFreunde“ wird hier für deutschen Verband verwendet. Die Schreibweise „Naturfreunde“ bezieht sich auf die internationale Naturfreundebewegung.